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Eine Ankündigung, die Silicon Valley erschüttert
Am 19. April 2025 veröffentlichte TechCrunch einen Artikel, der sowohl Bewunderung als auch Empörung hervorrief: Der renommierte KI-Forscher Tamay Besiroglu, Gründer des Forschungsinstituts Epoch, kündigte die Gründung seines neuen Startups Mechanize an. Das erklärte Ziel: die vollständige Automatisierung aller menschlichen Arbeit – kurzum, eine Wirtschaft, in der KI-Agenten sämtliche Jobs übernehmen.
Was auf den ersten Blick wie Science-Fiction oder Satire klingt, ist laut Besiroglu ein ernst gemeinter und hochambitionierter Plan, der Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend verändern soll.
Eine Wirtschaft ohne Menschen?
Mechanize will digitale Agenten entwickeln, die jegliche berufliche Tätigkeit übernehmen können – von Büroarbeit bis hin zu kreativen oder administrativen Aufgaben. Vorerst liegt der Fokus auf der Automatisierung von White-Collar-Jobs, also Aufgaben im Verwaltungs- und Dienstleistungsbereich, da diese keinen physischen Robotereinsatz benötigen.
Langfristig sieht Besiroglu jedoch keinen Grund, warum nicht auch komplexere Arbeitsbereiche vollständig automatisiert werden könnten. Er spricht von einem Paradigmenwechsel in der globalen Ökonomie – mit einem jährlichen Marktpotenzial von bis zu 60 Billionen US-Dollar, basierend auf den weltweit gezahlten Löhnen.
KI als Motor für „explosives Wirtschaftswachstum“?
Trotz massiver Kritik hält Besiroglu an seiner Vision fest. Er argumentiert, dass eine vollständig KI-gesteuerte Wirtschaft zu „explosivem Wachstum“ führen könne, mit höherem Lebensstandard, neuen Dienstleistungen und Produkten, die heute noch undenkbar seien. Die Menschen müssten nicht mehr arbeiten, sondern könnten sich auf kreatives, soziales oder philosophisches Leben konzentrieren – ein moderner technoutopischer Traum.
Auch wenn der Gedanke reizvoll erscheint, stellt sich die Frage: Wer profitiert tatsächlich davon? Und was passiert mit all jenen, die durch KI ihre Existenzgrundlage verlieren?
Harte Kritik und Vertrauensverlust
Die Reaktionen auf Mechanize fielen teils heftig aus. Insbesondere die Verquickung von Besiroglus Startup mit seinem eigentlich unabhängigen Institut Epoch sorgt für Unmut. Epoch galt bisher als neutrale Instanz zur Bewertung von KI-Systemen. Jetzt werfen viele Beobachter Besiroglu vor, seine wissenschaftliche Glaubwürdigkeit zugunsten unternehmerischer Ambitionen aufs Spiel zu setzen.
Ein Teammitglied von Epoch kommentierte auf X (ehemals Twitter) sarkastisch: „Genau das wollte ich zum Geburtstag: eine Kommunikationskrise.“
Auch renommierte Persönlichkeiten der KI-Forschung äußerten sich kritisch. Sie sehen in Mechanize nicht nur ein ökonomisches Risiko, sondern auch eine ethische Herausforderung: Was passiert mit einer Gesellschaft, in der Arbeit – und damit ein zentrales Element menschlicher Identität – abgeschafft wird?
Wer investiert in Mechanize?
Trotz aller Kontroversen konnte Besiroglu namhafte Unterstützer gewinnen: Nat Friedman, Daniel Gross, Patrick Collison, Jeff Dean und andere gehören zu den frühen Investoren. Diese Gruppe steht für technologische Weitsicht und hat in der Vergangenheit Projekte wie GitHub Copilot oder OpenAI mit aufgebaut.
Einige Investoren äußerten sich nicht öffentlich, doch Marcus Abramovitch, Partner beim Krypto-Hedgefonds AltX, sagte gegenüber TechCrunch, das Team von Mechanize sei „außergewöhnlich tief in der KI-Thematik verwurzelt“ und habe „weiter gedacht als jeder andere“.
Technisch noch nicht so weit – aber auf dem Weg
Besiroglu räumt ein, dass heutige KI-Agenten noch weit von einer echten Arbeitstauglichkeit entfernt sind. Sie seien unzuverlässig, vergäßen Informationen schnell, könnten keine langfristigen Aufgaben übernehmen und liefen bei komplexeren Aufträgen schnell „aus der Spur“.
Doch gerade dieses Problem will Mechanize lösen – durch bessere Daten, realistische Simulationsumgebungen und leistungsfähigere Modelle. Und dabei ist das Unternehmen nicht allein: Auch Tech-Giganten wie OpenAI, Salesforce und Microsoft arbeiten fieberhaft an sogenannten „Agentic Systems“.
Visionär oder gefährlich?
Ob Mechanize die Welt verbessern oder eine dystopische Zukunft einläuten wird, ist derzeit offen. Fest steht: Das Startup bringt eine neue Dimension in die Diskussion über die Rolle von KI in unserer Arbeitswelt. Es zwingt Politik, Wirtschaft und Gesellschaft dazu, sich mit einer Frage auseinanderzusetzen, die nicht mehr nur theoretisch ist:
Was passiert, wenn Maschinen uns nicht nur helfen, sondern vollständig ersetzen?